KONZEPT ACTIVE CINEMA
Konzept, Buch, Produzent: Paul Bauer 2014–2016
Kontakt: paulbauer@interaktivemedien.com
2. Interaktivität
2.1 Inhaltlicher Umfang
> 6 unterschiedliche Enden
> über 120 unterschiedliche Filmverläufe.
> einmal sehen und spielen dauert ca. 35 — 50 min
> zwei Durchläufe
Da es bisher wenige interaktive Kinospielfilme gibt und somit kaum eine Sehgewohnheit vorliegt, wird »I am. Error.« zwei Mal gezeigt um das Prinzip eines interaktiven Films erlebbar zu machen
2.2 Besonderheit
Das Besondere an »I am Error.« ist die Interaktivität, aus der sich eine äußerst spannende Erzählform entwickeln lässt, denn das Publikum kann zwei mögliche Lebenswege einer Frau vom Charakter einer Hanna erleben bzw. über den Weg ihrer Entwicklung bestimmen. Einerseits kann es darüber entscheiden, ob Hanna mehr und mehr an ihrer Situation verzweifelt und sich dadurch körperlich und auch geistig in eine negative Richtung entwickelt. Andererseits kann es darüber entscheiden, ob Hanna sich ihren neuen Lebensumständen stellt und sich dadurch in eine positive Richtung entwickelt.
2.3 Inhaltliche Umsetzung
Wir sehen Hanna bei ihrem Akustiker. Im OFF hören wir die Vorgeschichte auf dem Stadtfest. Sie endet mit der Explosion. Dem Publikum begegnet Hanna in der Folge als passive Antiheldin, deren lebenstechnische Rahmenbedingungen sich durch die Schwerhörigkeit stark verändert haben. Alle ihre alten Werte, Moralvorstellungen und Lebensmottos greifen nicht mehr richtig. Dadurch gerät sie in eine starke Identitäts- und Sinnkrise, da sie nicht weiß, wie sie ihr neues (körperliches) »Ich« mit ihrem alten »Ich« verbinden soll. Durch das Gefühl der Machtlosigkeit über ihr eigenes Schicksal überlässt Hanna ihre Entscheidungen einer Smartphone App, in welche sie zu entscheidende Sachverhalte eintippt. Im dramaturgischen Sinne sendet die Hauptfigur ihre Frage an das Publikum im Kinosaal und überlässt ihm die Entscheidung über den Fortgang der Geschichte. Dabei ist sich die Hauptfigur der Anwesenheit des steuernden Publikums nicht bewusst. Im Kinosaal wählt der/die Zuschauer/in je nach persönlichem Bedürfnis einen der Wege aus und sendet seine Entscheidung als Antwort zurück an Hanna in den Film. Die Antwort mit den meisten Stimmen führt zum entsprechenden Handlungsstrang. Das Publikum entscheidet dabei über die Entwicklung der Handlung, den emotionalen Zustand der Hauptfigur und die
Figurenkonstellationen. Ab Mitte des zweiten Aktes übernimmt das Publikum zum Teil die Kontrolle über Hanna, indem es ihr ungefragt Nachrichten auf ihr Smartphone schickt. Somit wechselt der interaktive Kinospielfilm »I am. Error.« zwischen der identifikativen Kraft eines Spielfilms und der immersiven Kraft eines Computerspiels. Hanna ist somit einerseits eine filmische Figur, die sich von der App helfen lassen möchte, andererseits ist sie aber auch ein Avatar, den das Publikum steuert und je nachdem, unterstützen, verletzen, verängstigen oder aufbauen kann.
3. Akustische Welt
3.1 Besonderheit
Das Publikum befindet sich akustisch im Kopf der schwerhörigen Hauptfigur, d.h. das Publikum hört mit Hannas Ohren. Die Klangwelt wechselt dabei zwischen dem Hören ohne Hörgeräte und mit Hörgeräten. Bei der akustischen Gestaltung »mit Hörgeräten«, wird der Klang umso klarer, je näher sich die Hauptfigur auf eine Klangquelle (andere Figur, Filmkatze, Radio etc.) oder sich ein Klangquelle auf sie zu bewegt. Dabei entwickelt sich die Klangwelt je nach Entscheidungsweg in eine paranoide und selbstbewusste Richtung.
3.2 Hauptdarstellerin – Anne Zander
Die Hauptdarstellerin Anne Zander ist hochgradig schwerhörig und hat schwerhörige Eltern.
Da sich ihre Großeltern und ihr Akustiker früh darum bemüht haben, dass Anne sprechen lernt,
ist sie heute eine Art »Hybrid« zwischen hörender und schwerhörender Gesellschaft. Einerseits gehört sie zu den Hörenden, weil sie normal spricht, aber auf Grund ihre Schwerhörigkeit wiederum nicht. Anderseits gehört sie zu den schwer Hörenden, da sie hochgradig schwerhörig ist, aber auf Grund ihres gesunden Sprechens wiederum nicht. »I am Error.« verarbeitet diese Problematik.
4. Nachhaltige Produktionsweise
4.1 Grundüberlegung
Für mich als (zukünftigen) Produzenten bedeutet Nachhaltigkeit nicht nur Umweltbewusstsein, sondern auch der respektvolle Umgang mit und zwischen den Mitarbeitern, sowie das interaktive Erlebbar machen von sozialen Themen. Ausschlaggebend für den Erfolg einer nachhaltigen Produktionsweise ist dabei, dass das Unternehmen bzw. der Unternehmer klar seine Vorstellungen zum Thema Nachhaltigkeit kommuniziert. Nur wenn das Team alle Punkte des Nachhaltigkeitsprinzips annimmt, ist gewährleistet, dass das Team eigenständig danach handelt.
4.2 nachhaltiges Team
Bei einer Filmproduktion lastet auf dem Team ein sehr hoher kreativer und wirtschaftlicher Erfolgsdruck. Durch die zusätzlichen Belastungen wie Stress, Müdigkeit und die z.T. raue Kommunikation am Set, entwickelt sich ein Spannungsfeld, in dem Konflikte vorprogrammiert sind. Meist handelt es sich dabei um einfache Konflikte, die sich aber in verlauf der Produktion verfestigen und potenzieren können. Wenn die Konflikte nicht gelöst werden, kann es zu Streit, Verweigerung von Kommunikation und nicht Erfüllung von Aufgaben kommen. Dies bedeutet zum einem, dass sich ggf. die Produktionszeit verlängert und die Produktionskosten steigen. Zum anderen, dass ganze Abteilungen auseinander brechen oder die Abteilungsleiter nicht mehr richtig zusammenarbeiten. Letztendlich sieht man einem Film an, ob
das Team zusammengearbeitet hat oder jedes Teammitglied für sich. Auf Grund dieser Erfahrungswerte habe ich in das Projekt einen Teambetreuer eingebunden. Dieser soll eine angenehme Arbeitsatmosphäre schaffen und in Konfliktsituation vermittelnd helfen. Er organisiert teambildende Maßnahmen in alle Phasen der Filmherstellung und bei Konflikten können sich Teammitglieder bei ihm anonym melden. Er vermittelt dann zwischen den Parteien, kann mediativ und/oder deeskalierend helfen. Mit dem Einbinden eines Teambetreuers geht es nicht nur um die Sicherung des wirtschaftlichen Erfolges eines Projektes, sondern auch darum, dass sich langfristig ein Team bildet, das sich immer wieder in neuen Projekten zusammenfinden kann.
Im Bezug auf den nachhaltigen Umgang mit der Natur stellt sich mir die Frage: »Was kann ein
Teammitglied während des Projektes tun und was kann das Unternehmen in Abhängigkeit von
seiner Größe tun, um die Umwelt zu schonen?« Folgende Punkte erschienen mir im Rahmen
einer (studentischen) Filmproduktion sinnvoll und realisierbar:
> Müllaufkommen am Set verringern
> Verwendung von Naturkosmetik und Kostümen
> Einsatz von Produktionsfahrrädern zum Ersetzen von Produktionsfahrzeugen
> doppelseitiges Drucken und verwenden von recyceltem Papier
> Kostüme in die Altkleidersammlung geben
> Fair Trade Catering und übrige Nahrungsmittel nach dem Dreh spenden
> gemeinsame Baumpflanzung am Ende des Projekts
4.3 Nachhaltige Produktion
4.4 Nachhaltiges Filmthema (Am Beispiel von »I am Error.«)
Im alltäglichen Leben begegnet mir im Bezug auf das Thema Schwerhörigkeit immer wieder der Begriff Barrierefreiheit. Er ist verbunden mit der Schaffung besserer sozialer Bedingungen für Schwerhörige durch Regeln und Gesetze. Ich habe festgestellt, dass dies aber nicht wirklich zu einer Integration schwerhöriger Menschen in unserer Gesellschaft führt. Denn zur Integration gehört, dass sich mindestens zwei gesellschaftliche Gruppen aufeinander zu bewegen und daraus eine neue Gesellschaft entstehen kann. Im Prinzip tragen dazu aber fast nur Schwerhörige bei, indem sie sich in die Hörenden-Gesellschaft integrieren. Hörende jedoch können sich nur schwer in die Schwerhörenden-Gesellschaft integrieren. Denn dafür benötigen sie keine Regeln und Gesetze, sondern vielmehr die Möglichkeit, die Welt der schwer Hörenden emotional und akustisch zu erleben. Der Film »I am Error.« soll Hörenden helfen, sich in die Gesellschaft schwer Hörender integrieren zu können, indem er Schwerhörigkeit bewusst erlebbar macht, um so eine geistige Barrierefreiheit Hörender im Bezug auf Nichthörende zu schaffen. Dieses Erlebbar machen soll nachhaltig helfen, neue Denkprozesse bei Einzelnen und strukturelle Veränderungen innerhalb unseres Landes anzustoßen.
Konzept und Idee: Paul Bauer 2016